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Monopol
Porträt Amy Feldman: Grau ist eine frohe Farbe
Daniel Völzke
March 3, 2017
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Was bleibt vom Ringen um formalistische Fragen? Butterkringel und leere Sprechblasen. Die Malerin Amy Feldman macht aus großen Problemen der Kunstgeschichte kleine Sensationen

“Grau als Idee hat eine gewisseKomik. Eine neutrale Farbe, die ich nicht neutral behandele”

Ein eisiger Wind weht über die Gowanus-Bucht, aber auf der Kompostfarm lassen sie sich nicht beirren: Freiwillige sieben den Küchenmüll der Anwohner des umliegenden Red-Hook-Viertels und schippen ihn zu Mieten auf. An diesem ersten Wochenende nach der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten, nur ein paar Kilometer entfernt vom Kennedy-Flughafen, wo heute Nachmittag Hunderte Demonstranten gegen Donald Trumps Einreisepolitik protestieren, verrichtet diese New Yorker Nachbarschaftsinitiative stoisch ihre Arbeit: sieben, umschichten, auf zersetzerische Prozesse warten. In Amy Feldmans Wohnatelier gleich neben der Kompostieranlage geht es dann sofort um Politik: „Alle meine Künstlerfreunde versuchen, Sinn in dieser wahnsinnigen Zeit zu finden“, sagt sie, und wie wahnsinnig diese Zeit tatsächlich ist, merkt man daran, dass man alles zu ihr in Beziehung setzt – egal ob Kompost oder Malerei. An der Ateliertür hängt ein Poster, das die Herrenriege aus 44 US-Präsidenten zeigt, an deren Ende Nummer 45 steht: Hillary Clinton. Amy Feldman seufzt. Sprechen wir über Kunst! Die Malerei der 35-Jährigen hat tatsächlich eine erfrischende Wirkung, auch wenn sie lediglich Grautöne benutzt. Auf großformatige, säuberlich grau grundierte Leinwände malt Feldman geschwungene graue Linien, um sie zu grauen Flächen zu verbinden: biomorphe, kaugummiartige, darmgleiche, auf jeden Fall prägnante zeichenhafte Umrisse oder Farbfelder. Obwohl: Was ist Grund, was Figur? Uralte innerbildliche Fragestellungen der
Malerei drängen sich bei Amy Feldman auf, obwohl sich in ihren Bildern gleichzeitig das Bewusstsein von der fortschreitenden Emojisierung und Infantilisierung der Kommunikation abzeichnet. Ja, gerade diese Spannung weckt die gute Laune.

Amy Feldman, Cold Century, 2016

Vier Leinwände stehen im Moment im Atelier, auch in ihnen erkennt man eine einfache Freude an der Malerei, die in komplexen Problemen mündet, deren spielerische Aufführung wiederum Anlass zu Freude bietet. „Meine früheste Erinnerung besteht darin, dass mein Vater und ich ein Malbuch kolorieren“, erzählt Feldman. „Mein Vater zeigte mir, wie man Farben mischt: ein dunkles und helleres Braun für einen Baumstamm.“ Die spätere Absolventin der Kunsthochschulen auf Rhode Island und in New Jersey benutzt noch eine breite Auswahl an Farben, dann reduziert Amy Feldman ihre Palette, bis nur noch Grau da ist und Feldman-Bilder wie Feldman-Bilder aussehen. „Grau als Idee empfinde ich als komisch. Die Farbe kann sowohl Krassheit und diese Paarung der Effekte schafft eine interessante Plattform für mich, die ich mit Humor fülle, indem ich eine neutrale Farbe nicht neutral behandele. Beckett schrieb, dass nichts lustiger sei als Traurigkeit. Ich glaube, Grau ist eine unfrohe frohe Farbe.“

Das Grau des Himmels draußen über Süd-Brooklyn: traurig. Das Grau in ihren Bildern hier im Atelier hingegen hat etwas Glamouröses, es ist das Grau von TV-Schnee, das Grau von Disco-Glitter, ein künstliches Grau, ein freiwillig gewähltes Grau, ein Grau, das sichnicht mit Schwarz-Weiß-Abbildungen reproduzieren lässt, ohne dass alles verloren geht. Und dann steht dieses Grau im Kontrast zu diesen comicartigenFormen – leere Sprechblasen, pupillenlose Micky-Maus- Augen, „Zack!“ und „Boom!“ und „Bang!“. Die Bezüge zur Pop-Art sind überdeutlich, auch wenn deren Knalligkeit hier fehlt. Als hätte jemand den Synth abgestellt, und trotzdem tanzen alle weiter, Bass und Beat reichen völlig aus.

Auch wenn das Grau eine zeichnerische und grafische Qualität hat, an Grafitschraffuren denken lässt und Illustrationen, sind Amy Feldmans Bilder ganz klar malerisch: Gestus und Pinselstriche sind erkennbar, manchmal wird der Farbauftrag pastos, immer halten einzelne Spritzer, die vom Malprozess erzählen, wie Reißzwecken Denn obwohl Amy Feldmans Bilder „cool“ sind, was den Schwung und die (Nicht-)Farbigkeit angeht, scheinen die Formen doch unter an ihnen zerren, sie wollen das Format sprengen und können nicht, sie Drama aus Helligkeit und Dunkelheit tut das Übrige. Theatraler Slapstick, der sich in Bildtiteln wie „Doodle ooze“, „Naked Baked“, „Good den unmittelbaren und dynamischen Malprozess, denn ist die Leinwand erst mal grundiert und hat sich aus unzähligen Vorstudien mit Tusche, Kugelschreiber oder Bleistift auf Papier eine Idee von einem gültigen Bild entwickelt, geht es offenbar schnell im Atelier Feldman. „Wenn ich arbeite, muss ich darauf vertrauen, dass meine Hand, mein Körper und mein Malmaterial sich verschwören“, sagt die Künstlerin, die – das ist an dieser Stelle tatsächlich eine Erwähnung wert – von zierlicher Statur ist. „Wenn alles auf Linie gebracht ist, kann sich das Bild materialisieren.“

Amy Feldman, Ghost Host, 2016

Der Körper, Größe, Energie, Reichweite der Hand, schreibt sich so im Bild mit ein. In den jüngsten Werken, die jetzt in ihrer neuen Galerie Blain Southern in Berlin ausgestellt sind, gehe es mehr denn je um das Unbehagen, das auch die säkularste Gesellschaft immer noch, man mag es kaum glauben, mit dem weiblichen Körper hat. „Die Arbeiten seine Funktionen wieder. Man kann Destillationen von Angst, Leidenschaft, Schmerz, Lust in diesen Formen sehen, wie positive Flächen negative Flächen verdauen undumgekehrt …“ Amy Feldmans Hund, der sich auf dem Sofa eingerollt hat, wimmert wie zur Bestätigung zweimal im Schlaf.

Sieben, umschichten, auf zersetzerische Prozesse warten – auch in der Kunst von Amy Feldman. Sie breitet Zeichnungen und Collagen aus, Zeugnisse ihrer Bildfindungsprozesse. In einige Skizzen hat sie Fotos von Butterkringeln und anderem Gebäck geklebt, auch das wieder ein augenzwinkernder Verweis auf eine angeblich weibliche Sphäre des Häuslichen, des Dekorativen, aber eben auch ein lustvolles Spiel. Einst suchten männliche Avantgardekünstler in der abstrakten Malerei eine Universalsprache, die über alle kulturellen Differenzen hinweg verständlich wäre, und vergaßen dabei, dass schon ihre eigenen Frauen sich vielleicht nicht angesprochen fühlten von ihrem Machokram. Bei Feldman, die als Teenagerin als Ausstellungsführerin im Dia:Beacon-Museum im Bundesstaat New York arbeitete, findet sich dieses 100 Jahre alte Ringen um formalistische Probleme wieder, mit beeindruckender Lässigkeit überführt in ihre eigene Sprache. So gelingen ihr luzide Kommentare auf die Malereigeschichte, die einen noch von hinten erwischen, wenn man sich schon in dem Glaubenabwendet, die Bilder verstanden zu haben.

Helfen Kategorisierungen zur Abwehr solcher Angriffe? Amy Feldmans Arbeit wurde gelegentlich als „Zombie-Formalismus“ bezeichnet, ein Begriff, der unterschiedlichste auf dem Markt erfolgreiche, junge, abstrakte Maler zusammenbringen will. Der respektlose Umgang mit tot geglaubter Materie – abstrakter Malerei – mag diese Bezeichnung rechtfertigen.

Aber die Bilder der New Yorkerin sind zu selbstbewusst, zu klar, zu lebendig und wach, um Zombies zu sein. „Historisch gesehen hat die Malerei durch ihre suggestive Kraft ein Potenzial bewiesen, dasDenken zu ändern“, sagt Amy Feldman. Wir reden doch nicht
schon Doch, die ganze Zeit.